Ungeachtet der Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Corona Pandemie bleibt der Fachkräftemangel nach wie vor eine der zentralen Herausforderungen für viele Unternehmen in Deutschland und Österreich. Die wirklich guten und seltenen Spezialisten werden immer nachgefragt und haben oft in der Phase einer beruflichen Veränderung gleichzeitig mehrere Angebote von unterschiedlichen Unternehmen, zwischen denen sie sich entscheiden müssen.
Diese Situation kommt mehr oder weniger in allen Branchen vor, wenn es sich um die Kandidaten mit besonderen Erfahrungswerten handelt und viele Hiring Manager wurden bereits damit konfrontiert, wenn der Kandidat nach langen Gesprächsrunden und Verhandlungen doch bei einem anderen Unternehmen unterschreibt.
In diesem Zusammenhang entsteht die berechtigte Frage: Wie lässt sich der Kandidat, der gleichzeitig mehrere Optionen verfolgt, für das eigene Unternehmen gewinnen, wenn die Angebote von den Mittbewerbern durchaus vergleichbar sind?
Es lässt sich leider nicht hundertprozentig vermeiden, aber es gibt unter anderem eine Möglichkeit, wie Sie Ihre Erfolgschancen bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter erhöhen können und das ist die stärkere Einbeziehung Ihrer Teammitglieder in die Hiring Prozesse. Hier spreche ich aber nicht über die Teilnahme an klassischen Bewerbungsgesprächen, sondern über den aktiven Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen dem Kandidaten und Ihren Teammitgliedern auf Basis eines informellen Peer–to–Peer Austauschs noch vor der eigentlichen Einstellung.
Ein informeller P2P – Dialog führt in der Regel zur Schaffung einer Vertrauensebene und als Folge zum Aufbau einer zwischenmenschlichen Beziehung, was im Kampf um Talente mehr oder weniger entscheidend ist. Der richtige Einsatz von P2P – Gesprächen in den Bewerbungsprozessen kann ein hilfreiches Instrument der Kandidatengewinnung sein und dafür gibt es einen bestimmten Grund.
Der Wechsel eines Arbeitgebers ist für viele Kandidaten ein ernsthafter Schritt, der gleichzeitig mit vielen Unbekannten in Hinblick auf das Unternehmen selbst, die eigene Tätigkeit und Weiterentwicklungsmöglichkeiten verbunden ist. Aus diesem Grund möchte der Kandidat natürlich so viele Informationen wie möglich über das Unternehmen sammeln und am besten aus den Quellen, die er für möglichst unabhängig hält.
So eine Vorgehensweise ist zum Teil mit dem Verhalten eines Konsumenten bei dem Produktkauf vergleichbar. Viele Marketingstudien bestätigen mittlerweile, dass die Konsumenten deutlich mehr Vertrauen der Meinung anderer Produktkäufer schenken als der Werbung des Herstellers oder des Verkäufers. Aus diesem Grund suchen sie nach unabhängigen Produktbewertungen im Internet, bevor sie sich für ein bestimmtes Produkt entscheiden. Der zentrale Aspekt ist hier die Authentizität der Käufererfahrung.
Ein informeller P2P – Austausch kann im Bewerbungsprozess als ein substituierendes Element verstanden werden, das seine Wirkung nach einem ähnlichen Muster entfaltet. Unter anderem ist es auch der Grund dafür, warum einige Kandidaten ihre Aufmerksamkeit den Bewertungsplattformen im Internet schenken. Die Bewertung eines Arbeitgebers im Internet kann jedoch nicht mit einem direkten persönlichen Austausch verglichen werden.
Deswegen suchen auch viele Kandidaten zuerst nach einem persönlichen Austausch mit Bekannten oder Freunden, die in dem jeweiligen Unternehmen arbeiten oder gearbeitet haben, um sich ihren eigenen unabhängigen Eindruck über das Unternehmen zu verschaffen, bevor sie sich für das Unternehmen entscheiden. Die aus den persönlichen Gesprächen gewonnenen Erkenntnisse haben oft einen großen Stellenwert bei der eigentlichen Entscheidungsfindung, weil diese Informationen als unabhängige „Insights“ gewertet werden, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Einschätzung eines Bekannten durchaus subjektiv sein kann.
In meiner Praxis treffe ich selbst Kandidaten, die sich so einen P2P – Austausch mit einem potenziellen Kollegen aus dem Team wünschen würden, weil sie sich dadurch erhoffen, einen besseren Überblick über das Unternehmen und die Unternehmenskultur zu verschaffen. Die Äußerungen eines gleichgestellten Kollegen werden dabei in der Regel als weniger voreingenommen eingestuft. Von einigen Kandidaten wurde ich sogar proaktiv auf so eine Möglichkeit angesprochen.
Zusammengefasst kann hier das proaktive Handeln seitens des Unternehmens zu besseren Ergebnissen in Hinblick auf die Steigerung der Besetzungsquote führen, vor allem wenn Sie sich in einem kandidatengetriebenen Markt befinden.
Bildquelle: Sora Shimazaki, www.pexels.com